Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener

Quelle: bmbf.de
Noch kurz vor Weihnachten (23.12.) hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung den neuen Förderschwerpunkt "Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener" in einer Bekanntmachung vorgestellt. Zentral dabei ist die Zahl von 7.5 Mio funktionalen Analphabeten in Deutschland - 7.5 (potentiellen) Arbeitnehmern, deren Teilhabe an demokratischen und ökonomischen Prozessen ermöglicht, bzw. verbessert werden muss. Der Förderschwerpunkt zielt daher speziell auf die Verbesserung von beruflichen Situationen, die an den Analphabetismus gekoppelt sind. Unternehmen, aber auch Arbeitsvermittlungen, Gewerkschaften, Kammern und Verbände, sollen auf die Thematik aufmerksam gemacht werden und angeregt werden, sie für sich konstruktiv zu nutzen. Alphabetisierung soll so als elementarer Bestandteil in die Personalwirtschaft aufgenommen werden.

57% aller funktionalen Analphabeten sind erwerbstätig. Das ist eine unerwartet hohe Zahl, es ist dennoch unbestritten, dass der Analphabetismus eine Arbeitskarriere wenn nicht verhindert, dann doch blockiert. So etwa bei Weiterbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen, an denen Lese- und Schreibschwache oft nicht teilnehmen . Oder auch bei technischen Umstellungen in Betrieben, die fast immer mit einer Technologisierung und damit der Notwendigkeit von höheren Lese- und Schreibkompetenzen einhergehen. Hier bleibt Potential ungenutzt.

Institutionen und Projekte, die dieses Potential erkennen und umsetzten werden vom BMBF gefördert. Sie müssen sich thematisch in einem der Punkte wiederfinden:
  • Weiterentwicklung und Erprobung von arbeitsplatzorientierten Alphabetisierungs- und Grundbildungsangeboten und Lernkonzepten sowie deren Überführung in Personal- und Kompetenzentwicklungskonzepte).
  • Weiterentwicklung und Erprobung von Konzepten zur betrieblichen Implementierung von Alphabetisierungs- und Grundbildungsangeboten.
  • In begründeten Fällen: Entwicklung, Erprobung und Implementierung von neuen innovativen Ansätzen zur arbeitsplatzorientierten Alphabetisierung und Grundbildung.
Für weitere Informationen zu Zuwendungsvoraussetzungen usw. sei auf die Homepage verwiesen. Projektskizzen sind bis zum 20.02.2012 einzureichen.


Wettbewerb: "Digitale Medien beim Sprachenlernen"

Quelle: na-bibb.de
Digitale Medien verändern unser Leben. Das mag man gut- oder schlechheißen, aber es ist ohne Zweifel eine Entwicklung, die man anerkennen muss. Und im besten Fall erkennt man sie nicht nur an, sondern man nutzt sie auch für seine Zwecke.

Reagierend auf die sich verändernden Realitäten beim Sprachenlernen hat die Initiative Bildung für Europa (Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung) gerade einen Wettbewerb ausgeschrieben. Organisationen, Institutionen oder Unternehmen, aber auch Einzelpersonen können sich mit einem Projekt bewerben, in dem Digitale Medien für das Sprachenlernen genutzt werden. Gesucht sind solche Projekte, "in denen auf originelle und kreative Weise digitale Medien beim Sprachenlernen eingesetzt werden oder die bei der Qualifizierung des Bildungspersonals auf deren Verwendung vorbereiten".

Weitere Informationen sind auf der Homepage des BiBBs abrufbar; dort können auch ab Februar 2012 die Bewerbungsunterlagen heruntergeladen werden.

What is...? Blended Learning

Quelle: Flickr (sulamith.sallmann)
"Blended Learning" wird auch als "hybrides Lernen" oder "integriertes Lernen" bezeichnet - aber diese Beschreibungen helfen auch nicht so sehr viel weiter. Was wird denn hier überhaupt integriert?

In der Lernform des Blended Learnings werden Präsenzunterricht und E-Learning miteinander kombiniert - oder integriert. Dabei sollen natürlich die Vorteile von beiden Lernformen verschmelzen und die Nachteile verschwinden. D.h. konkret, dass Flexibilität und Multimedialität des E-Learnings mit der Nähe und Unmittelbarkeit der Face-to-Face Kommunikation kombiniert werden.

Blended Learning (allerdings mit einer starken Mehrheit des E-Learnings im Vergleich zum Präsenzunterricht) habe ich das erste Mal an der Uni erlebt - und zwar im Studiengang "Interkulturelle Wirtschaftskommunikation" in dem Seminar "Kulturanthropologie". Dies war ein Pflichtseminar und hatte dementsprechend hohen Andrang. Ich denke, die Einführung des Blended Learnings in diesem Seminar ist aus der Not heraus geboren, die vielen Studierenden qualitativ hochwertig zu unterrichten. Und bestimmt ist eine "Massendidaktik" in vielen Bereichen ein großes Problem, dem mit den Möglichkeiten des Blended Learnings beigekommen werden kann. Zu Beginn des Semesters gab es eine Auftaktveranstaltung, bei der sich die Teilnehmer zumindest einmal kurz sehen und kennenlernen konnten. Solch ein "Kick-off" ist meiner Meinung nach unbedingt notwendig, damit die Mitlernenden und der Lehrer nicht in einer anonymen Masse verschwinden. Alle Spielregeln werden ausgetauscht, Fragen beantwortet und ein erster persönlicher Gruppenzusammenhalt erzeugt. Die jeweiligen Seminaren waren dann per Videostream anzeigbar, um Powerpoint Folien, herunterladbare Aufsätze und Linklisten ergänzt. Zu bestimmten Zeiten mussten Essays geschrieben werden, die an den Teletutor geschickt worden. Die Teletutoren standen während des geamten Semesters zur Verfügung.

Als einen großen Vorteil empfand ich es damals, bestimmte Stellen der Vorlesung, oder sogar die gesamte Vorlesung mehrfach anhören zu können. Wenn ich an einem bestimmten Teil unsicher war oder etwas nicht mitbekommen hatte, habe ich einfach kurz "zurückgespult". Es ist faszinierend, wie ungleich viel mehr man bei einem zweiten Hören versteht - nicht nur beim Lernen einer Fremdsprache. Natürlich war es auch praktisch, die Vorlesung bei einer Tasse Tee im eigenen Arbeitszimmer (oder, wer das vorzieht: in der Bibliothek) anzuschauen. Schade war, dass die Veranstaltung nicht noch stärker "geblendet" war. Es gab meiner Meinung nach zuwenig regelmäßigen Face-to-Face Kontakt. Wenn ich mich recht erinnere, gab es die Möglichkeit, Fragen und Kommentare zu posten - sie wurde aber nur unethusiastisch genutzt.

Diese Form des Unterrichts barg auf jeden Fall die Gefahr, dass Studierende "verloren gehen", stärker, als das bei reinen Präsenzseminaren der Fall ist. Ein stärkerer Einbezug von regelmäßigen Treffen mit persönlichem Austausch hätte das vielleicht besser verhindern können. Dort hätten zentrale Punkte noch einmal zusammengefasst und diskutiert werden können, und damit sowohl Lernenden als auch Lehrendem ein Eindruck vom Lernerfolg vermittelt werden können. Und, auch wichtig: falls tatsächlich in der Video-Vorlesung etwas falsch verstanden wurde, kann dies aufgedeckt und korrigiert werden. In den Präsenzphasen sollten stark gruppenbezogene Aufgabenformen, wie z.B. Rollenspiele oder Gruppendiskussionen und -präsentationen besonders intensiv genutzt werden. Der Punkt mit dem unterschiedlichen Lerntempo, oben kurz angesprochen, ist aber auf jeden Fall ein entscheidener Vorteil - abgesehen von dem Fakt, dass angesichts überfüllter Hörsäle die Arbeit im eigenen Zimmer (oder wo auch immer man am besten arbeiten kann) ein nicht zu unterschätzender Luxus ist.

Interessante Links:
Blended Learning Network
E-teaching.org

Auffallend bewerben - Teil 1

Quelle: Flickr (by Patty Anne)
Bewerbungsratgeber gibt es ja wie Sand am Meer. Einer, der mir wirklich gut gefällt und aus der Masse herausragt ist Claudia Nubers "Auffallend gut". Die besten Tipps daraus will ich in diesem Post vorstellen.






  • Jeder Mensch ist individuell. Bewerbungen sollen es daher auch sein. Also: keine 08/15 Bewerbung kopieren, sondern eine anfertigen, die einen besonderen Menschen widerspiegelt. Vergleiche lohnen sich dabei. Denn man will ja nicht unbedingt etwas falsch machen. Nur anders.
  • Nach dem Lesen einer interessanten Stellenanzeige: beim Sachbearbeiter telefonisch nachfragen (Tätigkeitsbereich, Position, Kernqualifikationen). Dabei geschickt etwas von sich erzählen - aber gezielt und nicht zuviel. Dadurch kann man herausfinden, ob das Unternehmen/ die Organisation wirklich zu einem passt und kann schon Kontakte knüpfen, auf die man sich später beziehen kann.
  • Anschreiben: max. 1 Seite, Gründe für die Bewerbung, ab wann steht man zur Verfügung, Vergangenheit und Zukunftswünsche - auch hierbei: "den eigenen Worten vertrauen" und nicht nur copy-and-paste der gewöhnlichen Floskeln.
  • Auffallen - aber dabei authentisch bleiben. Welche Art des Auffallens passt zu mir? Wie will ich auffallen, wie will ich in Erinnerung bleiben? Diese Fragen kann man nur beantworten, wenn man sich selbst gut kennt. Aber nur, wenn man sie sich beantwortet und dann gezielt umsetzt, wirkt das Auffallen nicht gekünstelt oder angestrengt. Das hat noch einen Vorteil: so findet man das Unternehmen/ die Organisation die wirklich zu einem passt. Wenn man als Mensch erkennbar ist und sich treu bleibt, kann man bei bestimmten Stellen abgelehnt werden. Aber bei denen wäre man mit großer Wahrscheinlichkeit sowieso nicht glücklich geworden.
  • Bei der Suche nach sich selbst (dieser Tipp ist von Keri Smith aus ihrem Buch "Living Out Loud") kann es helfen, sich zu erinnern, was man als Kind gerne gemacht hat. Ehre alleine gespielt oder immer mit anderen? Viel gelesen? Was? Warum? Hier kann man der eigenen Persönlichkeit auf die Spur kommen - denn die will man ja schließlich auch kennen und nach außen darstellen.
  • Noch mehr Möglichkeiten: Wo war ich erfolgreich? Warum? Wie hat es sich angefühlt? Wie definiere ich Erfolg? Ich stelle mir vor, dass ich noch 6 Monate lebe (etwas morbide - aber na ja) - was mache ich mit der Zeit? Was will ich auf keinen Fall (Ausschlussverfahren - hilft nicht nur bei "Wer wird Millionär?")? Worauf kann ich verzichten? Liste schreiben: Welche 10 Dinge kann ich besser als jeder andere?
  • Mit der Suche nach dem passenden Job sollte man ähnlich verfahren. D.h. sich darüber klar werden, was man von einer Arbeit erwartet. Und auch, wie Partner und Familie dazu stehen. Aufschreiben! Diese Liste kann mit längerer Auseinandersetzung mit dem Thema natürlich auch länger werden - neue Erfahrungen über Job und uns selbst sind immer möglich.

Soweit so gut - zur Bewerbungsphase komme ich im nächsten Post...

What is..? Education Management

Quelle: Flickr (sulamith.sallmann)
Man hört's oft, aber was ist das eigentlich genau - Education Management?

Naja, so ein bisschen kann man es sich ja schon denken: bei Education geht's um wie auch immer geartete Bildungseinrichtungen (Schule, Hochschule, Erwachsenenbildungseinrichtung, Kindergarten, etc.) und der Management-Teil umfasst die Gestaltung, Steuerung und Weiterentwicklung dieser Einrichtung und der Lehr- und Lernprozesse, die sie umfasst. Es muss also Wissen aus sowohl den Erziehungswissenschaften, als auch den Wirtschaftswissenschaften einfließen. Soweit so gut. Bildung wird also als Dienstleistung verstanden, und Bildungseinrichtungen arbeiten mit unternehmerischen Grundsätzen, so dass Untergruppen wie Bildungsmarketing oder Bildungscontrolling entstehen. Die Bildungsbedarfsanalyse, zum Beispiel, analysiert wie in der klassischen  Wirtschaftswissenschaft die Bedürfnisse auf einem externen Markt, wie Migranten, Arbeitslose, und so weiter. Daraufhin wird ein bestimmtes Produkt entwickelt, dass in dem jeweiligen Markt benötigt wird, wie zum Beispiel ein Angebot zur Weiterbildung von Migranten im Bereich der Pflege. Dieses 'Produkt', oder besser: die Dienstleistung wird dann durchgeführt und evaluiert.

Immer wieder diskutiert wird dabei auch der durchaus vorhandene Interessensgegensatz von bildungsethischen und unternehmerischen Zielen, Methoden und Vorstellungen. Aus der einen Seite steht dabei die Förderung und Weiterentwicklung des einzelnen Menschen mit dem Verständnis von Bildung als öffentlichem Gut, auf der anderen unternehmerisches Streben nach Effizienz und Effektivität. Sicherlich ist es ein qualitativer Unterschied, Zahnpasta oder Bildung zu vermarkten. Wird Bildung zur Ware, und wäre diese Entwicklung anzustreben oder kritisch zu sehen?

Die Bildungsreform an den Hochschulen und die Einführung von Studiengebühren und Eliteuniversitäten ist ein problematischer Prozess. Noch besorgter bin ich jedoch bei Personengruppen wie zum Beispiel den Migranten und Arbeitslosen. Bildungsmanagement muss hier den Spagat zwischen unternehmerischem Erfolgsdenken und nachhaltigen, humanistischen Bestrebungen schaffen. Bildung ist ein Grundrecht, und muss ein Grundrecht bleiben.

Interessante Links:

Alphabetisierung: Weiterbildungsangebote

Quelle: Flickr (sulamith.sallmann)
Das Lehramtstudium hat eine lange Tradition, auch das DaF/DaZ-Studium ist in der deutschen Wissenschaftslandschaft verankert - aber wie sieht es eigentlich mit den Didaktikern aus, die Alphabetisierung/Grundbildung übernehmen? Traditionell machen das die Grundschullehrer - die Methoden (Stifte halten, Buchstaben 'malen') mögen teilweise ähnlich sein, auch wenn die Zielgruppe sich selbstverständlich unterscheidet. Ich persönlich bin über die DaF/DaZ Didaktik als Teil des Integrationskurses in die Thematik 'hineingerutscht'.

Welche Angebote gibt es denn für Unterrichtende oder Neueinsteiger, sich im Alpha/Grundbildungsbereich weiterzubilden?
Als Studiengang ist Alphabetisierung vor allem an der PH Weingarten mit ihrem "Master Alphabetisierung und Grundbildung" vertreten. Die IHK (z.B. in Dresden) bietet modulare Weiterbildung an. Weitere aktive Weiterbildungszentren sind z.B. die Landesverbände der Volkshochschulen, der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. und das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung. Auch telc als Anbieter von Sprachzertifikaten führt Workshops zu Methoden der Alphabetisierung durch.

Obwohl ein deutlicher Anstieg in der Professionalität der Alphaausbildung erkennbar ist (die Einführung des Masterstudiengang war sicherlich ein Meilenstein), ist der Weiterbildungsmarkt nicht gerade mit Angeboten überschüttet. Natürlich ist die Alphaausbildung nicht immer eine Garantie für einen hervorragenden Pädagogen, aber schaden kann sie sicher nicht. Eine Professionalisierung des Themas zieht ja auch eine gesteigerte Wahrnehmung in der Öffentlichkeit nach sich, während gesteigertes Interesse wiederum einen Ausbau von Alphaforschung und -ausbildung bedeutet. Und daran können wir alle ja nur interessiert sein.

P.S: Eine Ergänzung meiner kleinen Liste kann gerne in den Kommentaren vorgenommen werden. Danke!

Gedanken zum Netzwerken

Quelle: Flickr (mending networks by this is limbo)
Den Begriff "Networking" hört man überall - als ob es ein ganz neues Phänomen wäre! Dabei war es schon am Königshof nicht anders. Reziprozität, so habe ich vor einigen Jahren in einer hervorragenden Vorlesung zu Kulturanthropologie gehört, macht Kulturen erst aus. Meistens verbindet man mit Networking jedoch eher Vetternwirtschaft oder unangenehmes "Rumschleimen" mit der Absicht, sich selbst und niemand anderem einen Vorteil zu verschaffen.

Ich wäre ja dafür, Networking neu zu konzeptualisieren. Denn nicht nur bei der Jobsuche (um die es bei Networking ja mehr oder weniger direkt ausgesprochen immer geht) kommt man um persönliche Kontakte, vorallem als Geisteswissenschaftler, nicht mehr herum.

Und will man das denn überhaupt? Letzendlich bedeutet Networking doch, Menschen kennenzulernen, die die gleichen Interessen haben. Die das, was sie machen, auch gut machen. Die an einem gegenseitigen Austausch nur interessiert sein können. Und was könnte es denn Schöneres geben? Gerade wenn die Arbeit Selbsterfüllung sein soll (und dieses Ideal ist bei Geisteswissenschaftlern ja hoffentlich besonders ausgeprägt, sonst hätte man sich auf die "brotlose Kunst" wohl kaum eingelassen), muss doch die Neugierde auf Andere mit ähnlichen Vorstellungen besonders groß sein. Und gehen wir ruhig und erbarmunglos idealistisch noch einen Schritt weiter: Wofür sind wir denn auf der Welt als uns gegenseitig zu helfen und zu unterstützen?

Es wäre daher hilfreich, Networking als Kennenlernen von verschiedenen Lebens- und Arbeitsauffassungen zu begreifen. Natürlich funktioniert das nur, wenn man ein echtes Interesse an seinem Gegenüber hat und wenn man sich nicht nur um der Karriere willen füreinander interessiert. Aber das, so meine Meinung, funktioniert sowieso nicht. Niemand wird jemanden weiterempfehlen, den er/sie kaum kennt oder unsympathisch findet. Natürlich ist ein so verstandenes Networking leichter gesagt als getan. Man muss sich öffnen und aktiv werden. Genauso die andere Seite: sie muss bereit sein, sich einzulassen, muss sich interessieren, beide müssen Zeit investieren. Aber diese Zeit, da bin ich mir sicher, lohnt sich (für beide Seiten!) in vielerlei Hinsicht.

Für mich bedeutet diese Zeit das Austauschen von Unterrichtsentwürfen und -ideen, Diskussion über soziale und psychische Herausforderungen. Sie bedeutet eine genaue Kenntnis von Bildungslandschaft und -institutionen - und zwar nicht nur auf dem Papier sondern als echte Personen. Sie bedeutet das frühe Erkennen von Trends, Notwendigkeiten, Projektideen. Sie bedeutet zusammenzuarbeiten, statt gegeneinander oder nebenher. Und letztendlich bedeutet es einfach mehr Spaß an der Arbeit.

Winterfest: Spielend lernen

Quelle: www.lernspiel-winterfest.de
Eben noch hat Alex seiner Mutter den Brief von der Bank vorgelesen, da wird ihm plötzlich ganz schwarz vor Augen. Als er die Augen wieder öffnet, befindet er sich plötzlich vor den Toren einer mittelalterlichen Stadt. Und da muss er plötzlich allerlei Aufgaben lösen, bevor er nach Hause zurückkehren kann.

So beginnt das Lernspiel Winterfest, produziert vom Projekt Alphabit und gefördert vom Alphabund und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Das Spiel hilft funktionalen Analphabeten mit Spaß und Motivation Lesen, Schreiben und Rechnen zu üben. Es ist mit viel Liebe zum Detail produziert, hat eine schöne Graphik und intuitive Spielführung. Aufgebaut ist es im Stil eines typischen Point-and-Click Adventures. Man läuft in einer Spielwelt herum, sammelt und benutzt Gegenstände, spricht mit Menschen und löst kleine Rätsel und Aufgaben. Alle Dialoge können vorgelesen werden, und eine kleine Ratte steht immer mit Rat und Tat zur Verfügung, wenn man einmal nicht mehr weiter weiß. Für Lehrende werden außerdem auch Schulungen und eine ausführliche Materialmappe angeboten, um didaktisch alles aus dem Spiel herauszuholen.

Für meinen niedrigschwelligen Alphakurs (Integrationskurs) ist das Spiel leider viel zu schwierig. Auch ist das Vokabular einer Mittelalterwelt (Krämer, Scheiterhaufen, ) nicht unbedingt Alltagswortschatz. Die Spiele sind jedoch alltagsnah - hier geht es um Textsorten wie Rezepte und Sprachhandlungen wie Einkaufen.
Hervorzuheben ist, dass im Spiel Arbeitsfelder vorgestellt und von den Spielern getestet werden können, die für sie auch relevant sein können, wie z.B. in Gastronomie, Handwerk oder Pflege. So bietet das Spiel Lernmöglichkeiten, die über Lesen, Schreiben und Rechnen hinausgehen. Auch sehr positiv: statt bei gelösten Aufgaben nur richtig-oder-falsch Feedback zu geben, kann das Programm typische Fehler erkennen und gezielt darauf hinweisen ("Mardin" - "Du hast 't' und 'd' verwechselt!"). Dabei wird nicht gleich die Lösung verraten, sondern gestuft Hinweise gegeben.
Erst im Nachhinein habe ich gemerkt, dass das Spiel die Leistung des Spielers einschätzt und den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben auf dessen/deren Fähigkeiten abstimmt. Im Laufe des Spieles wird dann der Schwierigkeitsgrad leicht aber kontinuierlich angehoben. Gerade dieses Feature des Spiels ist ideal für die oft sehr unterschiedlichen Wissensstände funktionaler Analphabeten.

Alles in allem, ein sehr gelungenes Spiel! Und gut, dass die Übungsangebote im Alphabereich langsam zunehmen. Ach ja, das Spiel ist kostenlos und kann per Post zugeschickt oder auf der Website heruntergeladen werden.


Who is Who: Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungshilfe e.V.

Quelle: www.aobberlin.de
Mangelnde Schriftspachkenntnisse, so die Erfahrungen des Arbeitskreises Orientierungs- und Bildungshilfe e.V., gibt es überall. Sowohl in Akademikerfamilien und in Familien aus prekären sozialen Verhältnissen. Sowohl bei Menschen, die eine liebevolle, behütete Kindheit hatten, und solchen, die geschlagen oder anders missbraucht wurden. Sowohl bei Arbeitern und Hausfrauen, als auch Studierenden.
Genauso unterschiedlich sind die Schriftsprachkenntnisse: manche können ohne Probleme lesen, dafür aber nicht schreiben, andere haben nur selten einen Stift gehalten.

Der deutschlandweit erste Verein, der sich mit dem Thema Alphabetisierung auseinandersetzte, ist der Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungshilfe e.V. Der Verein wurde 1977 gegründet und bietet Hilfe bei Schriftsprachproblemen, aber auch bei den psychischen Problemen, die sich durch die mangelnden oder nicht ausreichenden Kenntnisse ergeben. Schon im Leitbild des Vereins ist die enge Verschmelzung dieser beiden Aspekte klar definiert. Die Angst vor öffentlichen Lese- und Schreibsituationen kann wie eine Phobie wirken, das Kursangebot ist daher um eine Psychotherapie ergänzt. Eine weitere Besonderheit ist, dass jede/r Teilnehmer/in zwei Ansprechpartnerinnen hat: eine Kursleiterin und eine Beraterin. Damit kann verhindert werden, dass sich die Abhängigkeit auf eine Person fokussiert. Der/die Teilnehmer/in wird nicht nur von einer Person bewertet und eingeschätzt. Laut AOB veringert diese Organisation die Angst und Unsicherheit der Kursteilnemer/innen in großem Maße.

Im AOB wird also nicht 'nur' Schriftsprache vermittelt, sondern bewusst und verstärkt auch Selbstbewusstsein, Persönlichkeit und Kommunikation mit- und übereinander geübt. Dieses läuft nicht nebenbei im Unterricht ab, sondern ist integraler Teil des Lehrkonzeptes. Wie wichtig das ist, habe auch ich in meinem Alphaunterricht (den ich als Intergrationskurs gegeben habe) gemerkt. Nicht selten, zum Beispiel, machen die Lernenden im Unterricht große Fortschritte, aber können diese in späteren Prüfungssituationen nicht umsetzen. In ihrer Geschichte liegen Versagensängste, die bewältigt werden müssen, damit die Lernenden ihr volles Potential ausschöpfen können. Der ABO, mit einem großen Erfahrungsschatz, plädiert dafür.

Who is Who: Jugendmigrationsdienst

Quelle: www.jmd-portal.de
Jeder, der (oder die) schon einmal im Ausland gelebt hat, wird sich erinnern können, wie schwierig es war, sich in der fremden bürokratischen Welt zurecht zu finden. Bis ich verstanden habe, was in Irland ein P45 ist und wofür ich ihn brauche... Geschweige denn, wie ich ihn bekomme.
Schon für einen Muttersprachler ist es nicht einfach, sich in der eigenen Amtswelt auszukennen (meine Einkommenssteuererklärung ist jedes Mal eine Herausforderung!) für jemanden aus einem anderen Land oder einer anderen Kultur ist es ungleich schwerer.

Der Jugendmigrationsdienst hilft jugendlichen Migranten bei genau diesen Problemen. Konkret bedeutet das, dass der Prozess der Integration (sprachlich, schulisch, sozial und beruflich), Chancengleichheit und Partizipation gefördert wird. Dies geschieht im Rahmen von Beratung in Einzelfall- und Gruppenarbeit. Der JMD hilft also bei der Lebensplanung und Arbeitssuche, bietet interkulturelle Trainings, Sprachlernangebote, Computerkurse, und Bewerbungstraining, aber auch Sportkurse und Musikunterricht, und so weiter.

Auf der Homepage wird von vielen Fallbeispielen erzählt. Abdula, 19, ist aus dem Irak geflüchtet und hat hier ein neues Leben angefangen. 10-Klassen-Abschluss hat er schon, jetzt sucht er nach einer Ausbildungsstelle.  Jose aus Peru ist nach Deutschland gekommen, um hier zu studieren. Dafür muss er zunächst die entsprechenden Deutschzertifikate schaffen. Madalina ist mit ihrem Freund aus Rumänien nach Deutschland gekommen. Er hat hier einen Job als Automechaniker gefunden, sie blieb monatelang zu Hause - die Angst angesprochen zu werden und nicht antworten zu können, war zu groß. Jetzt spricht sie Deutsch und arbeitet als Auszubildende im Hotel. Auch aus meinem Berliner Stadtteil, Neukölln, wird berichtet. Von Gülestan, die 22-jährige Kurdin, die 15-jährig mit ihren Eltern nach Deutschland flüchtete. Sie musste auch erst einmal die Sprache lernen - ihre Lehrer auf der Förderschule glaubten nicht daran, dass sie einen Abschluss schaffen würde - heute studiert sie.

Im Netz erfährt man nur von solchen Erfolgsgeschichten, aber ich bezweifle, dass die Berichte zu stark beschönigt sind. Ich bin davon überzeugt, dass nur Begleitung, Unterstützung und positives Feedback bei der Integration helfen können - Zwang, Repressionen und Desinteresse jedenfalls nicht.

Potenzial und Bereicherung - nicht Belastung

Interkulturelle Kompetenz? Großer Erfahrungsschatz? Hohe Motivation?
Es scheint, als ob das Potenzial, das in Menschen mit Migrationshintergrund steckt, auch langsam von Unternehmen und Organisationen erkannt wird.

Indiz Nr.1: Gerade erst habe ich in meiner Lokalzeitung eine Anzeige gefunden, die sich gezielt an Migranten wendet, um für die Ausbildung zum/r "Pflegeasistenten/in mit dem Schwerpunkt kultursensible Pflege" zu werben. Die Notwendigkeit und der Nutzen wird klar herausgestellt: "Krank sein und zur Behandlung im Krankenhaus liegen oder die Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst zu benötigen, ist für alle Menschen gleich schlimm. Wenn dazu aber noch die sprachliche Verständigung schwer ist oder das Erleben der Krankheit auf einen anderen kulturellen Hintergrund trifft, ist der Patient verunsichert und der Heilungsprozess verzögert sich." Es wird also Pflegepersonal gesucht, das genau diese Kompetenzen, nämlich kulturelles Wissen und entsprechende Sprachkenntnisse, vorweisen kann.

Indiz Nr.2: Der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft e.V. hat heute die monatliche Hochschulperle an die Uni Oldenburg verliehen. Grund dafür ist das "Kontaktstudium Schulsozialarbeit", das es Flüchtlingen, anerkannten Asylbewerbern und Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis ermöglicht, sich als Schulsozialarbeiter weiterzubilden. Durch die Schulsozialarbeit werden Kinder und Jugendliche auf ihrer Schullaufbahn unterstützt. In Großstädten ist ein Anteil von 60-90 Prozent an Schülern mit Migrationshintergrund nicht ungewöhnlich, und dadurch spielen die gemeinsamen Erfahrungen, Sprache und kultureller Hintergründe von Jugendlichen und Sozialarbeitern oder auch Pädagogen eine entscheidende Rolle.

Es wird also höchste Zeit, dass auch auf dem Arbeitsmarkt die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen von Migranten als Bereicherung und Qualifikationen erkannt und nicht als Belastung empfunden werden. Nicht nur untereinander können Migranten als Arbeitnehmer wichtige Kompetenzen liefern (also als Unterrichtende mit Migrationshintergrund für Lernende mit Migrationshintergrund), sondern sie können auch das Weltbild und Wissen von allen Schülern, ganz gleich welcher Kultur, entscheidend erweitern. Ich will hier nicht abstreiten, dass es auf diesem Weg noch genügend Hindernisse zu bewältigen gibt (einige werden im aktuellen Newsletter des Netzwerks "Integration durch Qualifizierung" angesprochen), sondern nur ein kleines Plädoyer für eine sich ändernde Grundeinstellung halten. Migranten können eine riesige Bereicherung bieten - wenn sie als solche erkannt und akzeptiert wird.

Review: Grundbildung.de

Quelle: Grundbildung.de
Wie oft lesen wir an einem durchschnittlichen Tag? Von Zeitung oder Bettlektüre einmal abgesehen ist das Lesen zentraler denn je für viele Bereiche des Lebens geworden. Wir verabreden uns über Emails, SMS oder in Social Networks, bestellen Biokiste oder MP3-Player im Internet - selbst unsere Fahrscheine kaufen wir an einem Automaten. Und um den bestellten MP3-Player bedienen zu können, muss man natürlich auch lesen können, von der dicken Bedienungsanleitung mal ganz abgesehen. Lesen und Schreiben sind aber nicht so selbstverständlich wie man denken könnte.
In Deutschland gibt es über vier Millionen funktionale Analphabeten, d.h. Erwachsene, deren Lese- und Schreibkenntnisse für Alltag und Beruf nicht ausreichen. Dass das gerade in einer immer komplexer werdenden Welt ein ganz entscheidenes Handicap ist, muss nicht extra betont werden.

Die Zahl der von Analphabetisierung betroffenen Menschen zu verringern, hat sich Grundbildung.de (Deutscher Volkshochschulverband e.V.) zur Aufgabe gemacht. Auf der Website sind Informationen für Lehrende und Organisationen und Lernmöglichkeiten für Lernende zusammengetragen. Zentral dabei: das kostenlose e-Learning Portal ich-will-lernen.de, das eine interaktive Übungsdatenbank für Lehrende und Lernende bereitstellt. Auch interessant: AlphaVZ, ein Soziales Netzwerk für funktionale Analphabeten. Schriftliche Kommunikation kann so geübt werden und nebenbei kann man noch feststellen, dass man nicht alleine ist - für viele funktionale Analphabeten ein gutes Gefühl. Außerdem gibt es Winterfest, ein schön gemachtes Computerspiel zum Üben von Lesen, Schreiben und Rechnen. Dieses Spiel werde ich in einem nachfolgenden Blogpost einmal genauer vorstellen.
Über diese Lehrmöglichkeiten hinaus werden auf Grundbildung.de Ergebnisse von Forschungsstudien vorgestellt, Unterrichtsmaterialien und ein Fortbildungskalender angeboten und Literaturtipps und Links zusammengetragen.

Aus Sicht einer Kursleitenden freue ich mich über das Angebot an Übungsmöglichkeiten für meine Alpha-Kurse. Vor allem, weil der Alphabereich mit Unterrichtsmaterialien nicht gerade überschwemmt ist, und weil ich so auch gleich Medienkompetenz mittrainieren kann. Die Überwindung, sich an einen Computer zu setzen, ist erfahrungsgemäß bei Alpha-Lernenden groß, aber danach machen die Spiele - besonders auch an einem langen Freitagnachmittag - viel Spaß. Aus Sicht der Forscherin und Wissenschaftlerin, die ich ja auch bin, ist die Bündelung von Alphabetisierungs- und Grundbildungsprojekten auf einer Website mit der strukturierten Darstellung von Ergebnissen sehr lobenswert.






14 Länder, 14 Filme, 14 Welten

Quelle: berlinbabylon14.net
In eine fremde Welt eintauchen - in 14 fremde Welten, um genau zu sein - das ermöglicht Around the World in 14 Films. Das Filmfestival zeigt ausgezeichnete Weltkinofilme von Lateinamerika, über Russland, nach Korea, zurück nach Norwegen, und viele mehr. Am Ende der Reise wird der Intercultural Film Award vergeben, gesponsert vom Institut für Auslandsbeziehungen.
Gestern waren wir im kanadischen Teilnehmerfilm, Small Town Murder Songs, mit dem so großartigen wie furchteinflößenden Peter Stormare. Der Thriller spielt in einer Mennonitengemeinde in Ontario, und mehr als die Mördersuche fesseln die Atmosphäre, die durchdringende Musik, die langen Szenen in Slow Motion.
Das Festival läuft noch bis zum 3.12. im Babylon, Berlin.


KennenLernen

Quelle: neuköllner-talente.de

Gerade erst hat die taz darüber geschrieben. In der Berliner Woche, unserer Lokalzeitung habe ich vor einer Weile mal wieder davon gelesen. Die erste große Zeitung, die über die Neuköllner Talente berichtet hat, war die Sueddeutsche, und zwar schon 2008. Seitdem hat das Projekt viel Zustimmung erhalten, wurde im ZDF vorgestellt, und hat den dritten Preis des Deutschen Bürgerpreises gewonnen. Neuköllner Talente vermittelt Neuköllner Kinder, zwischen 8 und 12 Jahre alt, mit jeweils einem ehrenamtlichen Paten/in. 2-3 Stunden in der Woche unternehmen Pate/in und Patenkind etwas zusammen. Eine 60-jährige und ein 10-jähriger erkunden zusammen den Wannsee mit dem Ruderboot, eine 28-jährige geht mit ihrem 11-jährigen Patenkind in das Theater oder auch im Park spazieren. Dabei sollen die Paten bewusst nicht den Sozialarbeiter ersetzen oder Nachhilfeunterricht geben - sondern beide verbringen einen Teil ihres Alltags miteinander und lernen sich gegenseitig immer besser kennen. So entstehen Patenschaften, Freundschaften, und Kommunikation über Nationen und Schichten hinaus.