Akteure der Alphabetisierung: Andreas Brinkmann

Andreas Brinkmann


1.) Warum haben Sie sich / hast du dich dazu entschieden, im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung zu arbeiten?
Weil ich Alphabetisierung als Fundament der Bildungsarchitektur sehe. Das ist ein wichtiges und leider oft zu wenig beachtetes Handlungsfeld wo man unbedingt ran muss! Benachteiligtenförderung zieht sich durch meine Biografie, bringt viele pädagogische Erfolge und macht Spaß – auch wenn es natürlich manchmal arbeitsaufwändig ist.
2.) Welche Tätigkeit hat Ihnen/dir bisher in diesem Bereich am meisten Spaß gemacht?
Der Unterricht mit Strafgefangenen in der JVA Münster ist absolut klasse. Die Teilnehmer sind sehr motiviert, gerade heraus, neugierig und mit Spaß bei der Sache. Hier erlebe ich sinnstiftende Arbeit live und in Farbe. Ich bin mal so frei und beschreibe noch eine zweite Situation: Mit einem Betroffenen, der von seinen Erfahrungen aus einer Welt ohne Schrift und seinen Erfolgen berichtet in der Halbzeitpause vor 50.000 Zuschauern in ´nem Fußballstadion auf dem Spielfeld zu stehen und gemeinsam für Alphabetisierung zu werben, das war eine verdammt prickelnde Sache!
3.) Wie sehen Sie / siehst du die Zukunft in diesem Bereich, bzw. was ist Ihrer/deiner Meinung nach derzeit das dringlichste Problem?

Ich finde beim Wahr- und Ernstnehmen des Problems funktionaler Analphabetismus ist bildungspolitisch noch deutlich Luft nach oben. Neben neuen Kursinhalten und „herausreichenden“ Angeboten, die in Sportvereinen, Nachbarschaftszentren, Kirchengemeinden, Gefängnissen, Familienzentren usw. angeboten werden sollten verlässlichere Rahmenbedingungen für die Akteure geschaffen werden. Für viele ist es langfristig schwierig, jahrzehntelang ehrenamtlich, auf Honorarbasis und noch dazu oft befristet zu arbeiten. Ich glaube dass es sehr wichtig ist, langfristig engagierten Nachwuchs zu finden und aufzubauen und Projekte langfristiger zu bewilligen oder zu entfristen.

4.) Was möchten Sie / möchtest du dem beruflichen Nachwuchs mit auf den Weg geben?
Engagiert euch in diesem spannenden Feld! Das ist für die Lernenden und für euch persönlich bereichernd, politisch und ökonomisch wichtig und bringt eine Menge spannender Erfahrungen und Erfolgserlebnisse!
5.) Was ist Ihr / dein Lieblingswort?
Mein Lieblingswort wird leider gerade abgeschafft: Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz! Nein mal im Ernst: Bildung. Da steckt so ziemlich alles Wichtige drin.

Akteure der Alphabetisierung: Ralf Beekveldt


Ralf Beekveldt

  • Ralf Beekveldt ist Verleger für Bücher und Zeitungen in Leichter und Einfacher Sprache. Er ist Gründer und Inhaber verschiedener Verlage in mehreren europäischen Ländern.
  • 1994 gründete er seinen ersten Verlag in Amsterdam Eenvoudig Communiceren (Etwa: Einfach Kommunizieren).
  • 2009 folgte die Gründung des Spaß am Lesen Verlages in Münster und der Start der leicht lesbaren Zeitung Klar und Deutlich.
  • Ende 2009 erschien mit dem Krimi Hitzewelle das erste vereinfachte Buch im Spaß am Lesen Verlag.
  • Seitdem sind neun Bücher erschienen. Gerade sind Romeo und Julia und der Krimi Rache in Einfacher Sprache erschienen.
 
1.) Warum haben Sie sich / hast du dich dazu entschieden, im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung zu arbeiten?

Mit meinen Verlagen gebe ich Bücher und Zeitungen für Menschen mit Leseschwierigkeiten heraus. Nicht alle unsere Leser sind (funktionale) Analphabeten. Angefangen habe ich vor 20 Jahren in den Niederlanden mit Büchern für Menschen mit geistiger Behinderung. Denn ich finde: Auch sie sollen tolle Bücher lesen können. Dann habe ich gemerkt, dass es noch viele weitere Menschen gibt, für die einfache Bücher gut sind. Denn es gibt mehr Menschen mit Leseschwäche, als man denkt.
Ganz viele von ihnen sind normal intelligent und interessieren sich für die gleichen Dinge wie du und ich. Nur sie können nicht so gut lesen. Ihnen Teilhabe an guten Geschichten und gesellschaftlichen Themen zu ermöglichen, das ist mein Antrieb.

2.) Welche Tätigkeit hat Ihnen/dir bisher in diesem Bereich am meisten Spaß gemacht?

Es ist immer wieder eine spannende Herausforderung für mich Bücher und Zeitungen in eine schöne und dennoch einfache Sprache zu bringen. Damit möchte ich möglichst viele Menschen erreichen und Ihnen Spaß am Lesen vermitteln. Ich schreibe zwar nicht mehr selbst, aber wenn ich ein gelungenes Buch in Einfacher Sprache in der Hand halte, macht mir das viel Freude.


3.) Wie sehen Sie / siehst du die Zukunft in diesem Bereich, bzw. was ist Ihrer/deiner Meinung nach derzeit das dringlichste Problem?

Das langfristige Ziel soll es sein, verständliche Kommunikation auf allen Ebenen zu ermöglichen. Mit unseren Büchern und Zeitungen können wir einen kleinen Beitrag leisten. Wichtig ist aber, dass ein allumfassendes Verständnis von einfacher Kommunikation entsteht. Gerade Behörden und Unternehmen müssten eigentlich ein großes Interesse daran haben. Denn mit komplizierter Sprache verstehen viele Menschen ihre Botschaften einfach nicht. In letzter Zeit ist auf diesem Weg schon einiges passiert. Und es ist gut dass sich etwas bewegt.
Von entscheidender Bedeutung ist aber, dass wir nicht der Versuchung erliegen, Einfache Sprache als ein Thema nur für Menschen mit geistiger Behinderung zu sehen.
Einfache Sprache hat einen Nutzen für die gesamte Gesellschaft – denn wenn alle alles verstehen, ist es für alle einfacher.

4.) Was möchten Sie / möchtest du dem beruflichen Nachwuchs mit auf den Weg geben?

Einfache Sprache besitzt eine motivierende Kraft. Vor allem für Schüler und Lerner, die sich schwer tun, bietet sie Leseanreize. Wer gern liest, liest öfter. Wer viel liest, lernt besser lesen. Wer gut lesen kann, liest gern. Wir nennen das die Spirale des Lesens. Nutzen Sie diese Kraft.


5.) Was ist Ihr / dein Lieblingswort? 

Ich habe jeden Tag ein bestimmtes Wort im Kopf. Es ist jedes Mal ein anderes Wort. Das ist dann ein Wort das ich gerade gehört oder gelesen habe, zum Beispiel im Radio oder in der Zeitung. Oft ist es ein Fremdwort. Zum Beispiel der Name einer Stadt in Asien,  ein russischer Geschäftsmann oder ein Wort mit einem musikalischen Klang. So ein Wort steckt dann stundenlang in meinem Kopf, gefangen wie ein Fliege im Spinnennetz, die versucht raus zu kommen und die nach einem Tag weg fliegt. 


Akteure der Alphabetisierung: Urda Thiessen

Urda Thiessen

  • seit 1993 Mitarbeiterin bei Lesen und Schreiben e.V. Berlin
  • maßgeblich beteiligt an der Entwicklung und Veröffentlichung des Lehrwerks "Einsteigen bitte!"
  • 1998 - 2009 Kursleiterin im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung an der City VHS (PC-Kurse und Angebote im Maßregelvollzug)



1.) Warum haben Sie sich / hast du dich dazu entschieden, im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung zu arbeiten?


Im Rahmen meines Studiums (Erwachsenenbildung) bin ich über ein Praktikum zu LuS gekommen. Das war ein Glücksfall, denn hier gab es schon damals mehr als Lesen und Schreiben lernen. So war schnell klar, dass Alphabetisierung ein gesellschaftlich wichtiges Thema ist und ein vielseitiges Arbeitsfeld bietet. Die Mitarbeit bei LuS und der Kontakt mit Betroffenen hat mir einen besonderen Blick auf die Welt ermöglicht, der mein Leben bis heute bereichert.

2.) Welche Tätigkeit hat Ihnen/dir bisher in diesem Bereich am meisten Spaß gemacht?


Nach wie vor schätze ich die Vielseitigkeit. Das Herzstück ist natürlich die direkte Zusammenarbeit mit den Lernern. Sie auf ihrem Lernweg zu begleiten, zu unterstützen und mit ihnen Ideen zu entwickeln und umzusetzen gefällt mir. Jeder kleine Erfolg macht  Spaß. 

3.) Wie sehen Sie / siehst du die Zukunft in diesem Bereich, bzw. was ist Ihrer/deiner Meinung nach derzeit das dringlichste Problem?


Ich halte die angemessene Wahrnehmung dieser großen Gruppe in allen Bereichen der Gesellschaft für das größte Problem. Die Betroffenen sind immer noch unsichtbar. Grundbildung ist  ein gesellschaftliches Problem, das ressortübergreifend angegangen werden muss. Das Know-How ist vorhanden, aber die Bereitschaft, in Grundbildung angemessen zu investieren, fehlt. Problematisch ist, dass Projektfinanzierung vorherrschend ist. Damit ist die dringend erforderliche Kontinuität der Arbeit gefährdet und Potentiale von Experten (Kursleiter und Lerner) werden nicht ausreichend genutzt. 
Der Auflistung von Achim Scholz zu diesem Punkt kann ich nur zustimmen.

4.) Was möchten Sie / möchtest du dem beruflichen Nachwuchs mit auf den Weg geben?


Es lohnt sich! Das Arbeitsfeld ist interessant und bietet vielfältige Möglichkeiten. Doch Vorsicht: Es hat Suchtpotential. Und das ist gut so.

5.) Was ist Ihr / dein Lieblingswort?


zurzeit: „Lernerbewegung“
Dauerbrenner: „furniertes Wissen“