Lesen und Schreiben e.V. feiert Jubiläum!

30 Jahre gibt es ihn nun schon. 1983 wurde er als deutschlandweit zweitältester Verein zum Thema Alphabetisierung gegründet: Lesen und Schreiben e.V. Berlin. Und das wurde am 25.10. gefeiert.

Viele ehemalige und derzeitige Lernende waren dabei, viele Lehrende und Ehrenamtliche, Berliner und Neuköllner Politiker und Politikerinnen; Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus sozialen Einrichtungen, Arbeitsvermittlungen, Bildungseinrichtungen und so weiter und viele andere Freunde des Vereins.

Es gab Reden der Bildungssenatorin, Sandra Scheeres, der Neuköllner Bildungsstadträtin, Dr. Franziska Giffey, und Elfriede Haller aus dem Vorstand des Bundesverbands Alphabetisierung und Grundbildung. Es fanden Lesungen mit wunderbaren Texten von Lernenden statt, Filmvorführungen und ein Sofagespräch, bei dem Dr. Ulrich Raiser (Senatsverwaltung Bildung) und Elfriede Haller Fragen des Publikums beantworteten. Und natürlich wurde festlich gespeist!

Es gab Stolz, Freude, Dankesworte, es gab bewegende Momente und Rückblicke. Aber es gab auch den Ausdruck von Wut und Frustration über die immernoch schwierigen Bedingungen unter denen der Verein arbeiten muss, und die nicht nur dem Verein und vielen Lernern und Lernerinnen, sondern letzlich der Gesellschaft schaden.

Es gibt noch viel zu tun - wir sind gespannt auf die nächsten 30 Jahre!


Dazu auch:



Evernote für Dozenten und zur Projektverwaltung

Seit dem Studium habe ich mich immer wieder und immer wieder anders mit Zeit- und Selbstmanagement beschäftigt. Das ist ja auch kein Wunder: beim Studieren und Promovieren, beim Unterrichten oder bei der Projektarbeit - und abgesehen davon auch im privaten Leben - muss man sich die Zeit selbst einteilen, hat man mit Informationsflut zu kämpfen, muss man große Aufgaben in kleine Arbeitspaketchen verpacken und so weiter. Und immer mit der Hoffnung, dass es doch eigentlich noch besser und schneller gehen müsste.

Deshalb ist es eigentlich erstaunlich, dass ich jetzt erst zu Evernote gefunden habe. Inzwischen möchte ich das Programm nicht mehr missen - es erleichtert mir mein tägliches "Zeug" erheblich. Deshalb möchte ich hier zusammenfassen, wie ich es nutze und warum ich es nutze. Dabei möchte ich mich auf die Funktionen beschränken, die ich brauche und verwende - sicherlich kann Evernote noch sehr viel mehr...

Informationssammlung

 

Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich bin oft absolut erschlagen von Informationen, die auf mich einprasseln: Newsletter, Webseiten, Blogartikel, neue Publikationen, Tagungseinladungen, Unterrichtsideen, Flyer, Infos aus persönlichen Gesprächen, Termine, und, und, und. Bis jetzt hatte ich immer viele verschiedene Orte, an denen ich das alles versucht habe, zu speichern: Computer für Dateien, Lesezeichen in Firefox für Webseiten, Emailkonto für Emails mit Anhängen, Papierordner für Zettelkram, Notizzettel für Notizen. Und manches ist dann halt auch einfach untergegangen. Evernote kann das alles auf eine wirklich einfache Art zusammenführen (denn nur einfach macht Sinn - ansonsten macht man's ja auch auf Dauer nicht mehr).

Dazu legt man sich erst einmal passende Evernote-Notizbücher an (bei mir z.B. "INFO Unterrichtsideen" oder "INFO Grundbildung und Gesundheit", "INFO Tagungen", ...)
Und dann wird da wild abgelegt:

Websites => können mit dem WebClipper einfach ausgeschnitten und in ein Evernote-Notizbuch eingefügt werden
Emails, Email-Newsletter => können an Evernote (genauso wie sonst an andere Personen) mit dem normalen Email-Programm weitergeleitet werden
Dateien => können in Evernote gespeichert werden
Notizen => fotografiere ich mit dem Handy ab oder nehme sie per Mikrofon gesprochen auf (da ist ein Smartphone doch ganz praktisch)
Flyer, gedruckte Listen, andere gedruckte Infomaterialien => abfotografieren oder mit Handy-Scanner als pdf speichern - so können auch mehrere Seiten schnell mit ein paar Knipsen aufgenommen werden

Ganz wichtig: in einer Suche in Evernote werden nicht nur selbst eingetippte Notizen, sondern auch Fotos
und pdfs durchsucht. Also: wenn ich das Wort "Lerntherapie" suche, werden alle pdfs und Fotos, in denen das Wort vorkommt, gefunden. Das habe ich nicht, wenn ich die Dateien ausdrucke und ablege, das habe ich nicht in meinem Email-Programm (das zeigt mir zwar die Mails an, in denen das Wort steht, aber durchsucht nicht die pdfs, die ich vielleicht in den Anhängen verbergen), und auch nicht bei einer Archivierung auf dem Computer (da muss ich nämlich alle Dateien einzeln durchsuchen).

Projektverwaltung


Vorweg: Viel von dem, was ich jetzt schreibe, habe ich mir von David Allens berühmten "Getting Things Done" abgeguckt. Ist also beleibe nicht alles auf meinem Mist gewachsen. Aber es lässt sich sehr schön mit Evernote umsetzen und kombinieren.

Also: für alle komplexen (beruflichen und privaten) Aufgaben, die ich in meinem Leben gerade erledigen muss, lege ich ein Notizbuch an. David Allen nennt das ein "Projekt". Da tummelt sich bei mir z.B. "PRO ZusammenLernen", "PRO Fachtagung", "PRO Diss veröffentlichen", "PRO Wochenendausflüge" und so weiter. In dem Notizbuch speichere ich Informationsmaterialien (Websites, Flyer, und siehe oben), aber auch Notizen mit den nächsten anstehenden Schritten für das Projekt.

Also stellen wir uns vor, ich habe zunächst die Info zur anstehenden Fachtagung aus z.B. einem Newsletter in "INFO Tagungen" einfach abgelegt. Dann entscheide ich mich dazu, die Tagung zu besuchen und dort auch noch einen Workshop zu geben. Ich lege dann das Notizbuch "PRO Fachtagung" an und speichere alle Infos, die dazu gehören: online gebuchte Fahrkarte und Zugverbindung, Tagungsprogramm, Anfahrtsbeschreibung von Bahnhof zum Hotel,... Dann überlege ich mir: was sind meine nächsten Schritte in dem Projekt? Meinetwegen: Workshop konzipieren, Powerpoint erstellen, Tagungsleiter anrufen. Das werden alles einzelne Evernote-Notizen. Und denen gebe ich - ich hoffe, ihr könnt mir noch folgen - jetzt noch Schlagwörter. Diese Schlagwörter bezeichnen den Ort oder das Umfeld, an dem ich die Schritte erledige. Workshop konzipieren bekommt das Schlagwort @home, Powerpoint erstellen @compi, Tagungsleiter anrufen @phone. Der Vorteil davon: Manchmal habe ich 15 min Zeit und überlege, was ich damit machen kann. Bin ich zu Hause, lass ich mir nur die Notizen mit dem Schlagwort @home anzeigen. Bin ich in der Laune, mal durchzutelefonieren, zeigt mir Evernote auf Knopfdruck alle Telefonate an, die ich erledigen muss. Und so weiter.

Ich kann den Evernote-Notizen auch Erinnerungen zuweisen, so dass ich an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit daran erinnert werde - falls es eine bestimmte Frist gibt, die ich einhalten muss. Und ja, so richtig Spaß macht das auch erst, wenn man ein Smartphone hat und da zwischendurch immer wieder reinschauen kann, auch wenn man z.B. mal in der Stadt unterwegs ist (denn @city gibts bei mir auch...). Wenn ich den Schritt erledigt habe, wird er weggelöscht.

für Dozenten


Speziell für den Unterricht nutze ich folgende Funktionen:
  • Ich speichere mir Infos, wie Telefonlisten oder Ferientage,
  • ich sammele Unterrichtsideen aus dem Netz und aus Newslettern, 
  • ich speichere die von mir und meiner Kollegin ausgearbeitete Grobplanung für die einzelnen Module,
  • ich speichere das Konzept vom BAMF
  • ich fotografiere Tafelbilder ab 
  • ich mache die Evaluation der Stunde per Mikrophon mit dem Smartphone auf dem Weg nach Hause

 

Ich benutze Evernote NICHT für...


  • ...Termine. Und ich habe auch keinen elektronischen Kalender. Denn ich schreibe viel lieber und schneller mit der Hand.
  • ...sensible Daten. Da hab ich nicht so viele von, aber ich würde sie auch nicht in einer Cloud speichern.
  • ...Konzeptionen, Mind Maps, Ideensammlungen. Denn auch die will ich mit der Hand schreiben. ABER danach fotografiere ich sie ab und speichere sie in Evernote!

Akteure der Alphabetisierung: P.G.

P.G.

  • ist Lernerin bei Lesen und Schreiben e.V. in Berlin Neukölln
  • hat in diesem Jahr den Schreibwettbewerb des Bundesverbands Alphabetisierung und Grundbildung gewonnen
  • Über ihr Leben mit dem Lesen und Schreiben wird in dieser halbstündigen Doku berichtet


1) Warum hast du dich dazu entschieden, lesen und schreiben zu üben?
Damit es für mich einfacher wird die Regeln für die Rechtschreibung und Grammatik zu verstehen. Ich möchte gern, dass man meine geschriebenen Wörter lesen kann.

2) Was ist besonders gut daran, lesen und schreiben zu können?
Dass man ohne fremde Hilfe auskommt und das ich vielleicht anderen helfen kann.

3) In der Gesellschaft muss man für die Alphabetisierung noch viel verbessern. Was ist deiner Meinung nach im Moment  das wichtigste Problem?
Man sollte uns einen geschützten Rahmen bei den Arbeitsvermittlern geben und ich finde es wichtig, dass wir besser in die Berufswelt eingegliedert werden. Viele denken, dass man nach 2 Jahren lesen und schreiben lernen alles perfekt kann. Das ist aber nicht so. Der Arbeitsmarkt müsste sich für uns öffnen.

4) Was möchtest du neuen Lehrern und Lehrerinnen sagen?
Dass sie Geduld mit uns haben sollen. Sie müssten uns motivieren, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Die Dinge, die uns so schwer fallen müssen sie genauer erklären.

5) Was ist dein Lieblingswort?
„Stärke“

Lerner sind die Experten! TEIL 1

Lerner nehmen die Auszeichnung als Botschafter für Alphabetisierung entgegen
Vor jetzt etwas mehr als 1 1/2 Jahren habe ich angefangen, mich mit dem Thema Alphabetisierung und Grundbildung stärker zu beschäftigen. Dabei ist mir etwas aufgefallen, was mir auf den ersten Blick wie ein Widerspruch vorkam: Auf der einen Seite ist das Thema in der Öffentlichkeit noch viel zu wenig bekannt, und die Betroffenen verstecken sich unter großer persönlicher Belastung. Auf der anderen Seite gibt es eine große Gegenbewegung von Lernern, die ihre Lese- und Schreibschwierigkeiten öffentlich machen. Sie gehen zu Interviews und zu Tagungen, organisieren Informationsveranstaltungen, besuchen sich deutschland- und sogar europaweit und tauschen sich aus und organisieren sich.
(Inzwischen ist das für mich gar kein Widerspruch mehr, im Gegenteil, aber darum soll es bei dem Artikel heute nicht gehen.)

Mich hat es also beeindruckt, wie der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung oder die VHS in Oldenburg, der Verein Lesen und Schreiben e.V. und viele andere, Lernende gezielt in ihre Arbeit einbeziehen. Für mich machte das am Anfang ganz aus meinem eigenen sozialen Verständnis heraus Sinn: Ich fand es richtig, dass diejenigen, über die geredet wird, auch mitreden können. Das heißt: Wenn auf einer Tagung ein Expertenaustausch zu z.B. Angeboten für funktionale An-Alphabeten stattfindet, dann müssen die Betroffenen auch die Möglichkeit haben - als die Zielgruppe, als Experten - etwas beitragen zu können. Das fand und finde ich richtig, gerecht, wertschätzend, notwendig. Und noch dazu bietet es den Lernenden eine Gelegenheit, z.B. Motivation zu schöpfen oder ihr Leben als funktionale An-Alphabeten auf einer Metaebene zu reflektieren (Entschuldigung für die Fremdwörter, aber hier trifft's einfach am besten...) - alles ganz wichtige Kompetenzen und eine Bereicherung fürs Leben.

Nachdem ich in diesem Jahr in meiner eigenen Arbeit an der Aktion Alpha-Kompetenz eng mit Lernern zusammengearbeitet habe, hat sich die frühere Sichtweise für mich noch einmal ganz entscheidend erweitert: Während ich früher vor allem die soziale Notwendigkeit und die Vorteile für die Lerner gesehen habe, sehe ich jetzt auch ganz deutlich die - sagen wir mal: wirtschaftliche Notwendigkeit und die Vorteile für die Projektleitung, die Chefs, die Vortragenden - und schließlich, klar, die Gesellschaft an sich.
Warum?

(1.) Nur, indem man die Betroffenen nach Ihrer Meinung fragt, kann man sicherstellen, dass Maßnahmen, Öffentlichkeitsarbeit, und eigentlich alles was man (unter meist hohen Investitionen) für die Zielgruppe entwickelt, von der Zielgruppe überhaupt angenommen wird. Bei einer Produktentwicklung werden auch Kundenbefragungen und Marktanalysen und wasweißich gemacht, um sicherzustellen, dass das Produkt auch genau auf die Bedürfnisse der Kunden passt. So muss man doch auch vorgehen, wenn es darum geht, Kurse, Flyer, oder andere Produkte der Öffentlichkeitsarbeit wirkungsvoll an die Zielgruppe zu bringen. Was nützt - um auf meine eigenen Erfahrungen zurückzukommen - ein Alpha-Aufkleber an den Türen von alpha-kompetenten Einrichtungen, wenn er von Betroffenen nicht verstanden oder angenommen wird? Der Aufkleber muss also von den Lerner-Experten mitentwickelt werden.
Investitionen in Öffentlichkeitsarbeit sind notwendig - und dann sollte man auch durch die Zusammenarbeit mit Lernern den maximalen Nutzen erreichen.

(2.) Lerner können ganz echt und authentisch von dem Leben mit Lese- und Schreibschwierigkeiten erzählen. Alle anderen können das nicht. Das ist einfach so. So richtig verstanden habe ich das erst seit ich selbst im Team mit zwei Lernern Multiplikatorenschulungen gebe. Da kann ich viel über mögliche Ursachen von Lese- und Schreibschwäche referieren - sobald Lerner aus ihrem eigenen Leben berichten, hören die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ganz anders zu. Ich habe den Eindruck, dass sie dann mehr verstehen und es weniger schnell vergessen. Und es steigert die Qualität der Schulung erheblich. In jedem Evaluationsbogen, den ich bisher erhalten habe, wurde die Beteiligung der Lerner als wichtig hervorgehoben.

Lerner sind die Experten und die besten Fürsprecher für ihre Sache. Wir müssen sie einbeziehen und es sollte allen bewusst sein, dass nicht nur die Lerner selbst davon profitieren können. Dafür gibt es soziale Gründe und wirtschaftliche Gründe, und schließlich macht es auch einfach mehr Spaß miteinander zu lernen. Mir zumindest ist es so wichtig, dass ich meinen Blog danach benannt habe.

mehr Informationen:

"Lernende als Experten ernst nehmen"
Landkarte: Lerner-Experten in der Alphabetisierung und Grundbildung
Alfa-Forum 80(2012): Mit den Lernenden zum Erfolg!
ABC Selbsthilfegruppe Oldenburg 
"Lerner diskutieren Perspektiven"