Wenn man es nicht besser wüsste, würde es einem wie ein Paradox vorkommen: Es gibt so viele Menschen, die nicht ausreichend lesen und schreiben können und trotzdem bleiben den bestehenden Kursen die Teilnehmer weg.
Was kann man da tun?
Eine Möglichkeit: Wenn die Menschen nicht in die Kurse kommen, dann müssen die Kurse zu den Menschen kommen. Sprich: aufsuchende Bildungsarbeit.
Dazu wollte ich mich an diesem Wochenende informieren. Eine erste Quelle fand ich in den Artikel von Gisela Pfaff und Andreas Dölle: "Aufsuchende Alphabetisierung zur Initiierung von Bildungsprozessen".
Die Autoren verstehen aufsuchende Bildungsarbeit in enger Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen. Diese Einrichtungen werden zunächst durch eine Schulung oder persönliche Gespräche zum Thema sensibilisiert. Sie wissen dadurch, was funktionaler An-Alphabetismus bedeutet, wie man die Menschen erkennt und ermutigend anspricht.
Die Autoren haben dann an verschiedenen Veranstaltungen der sozialen Einrichtungen teilgenommen und dabei die Klienten kennengelernt. So entstand eine vertrauensvolle Atmosphäre und manche Betroffene konnten für einen ersten Einzel- oder Kleingruppenunterricht gewonnen werden. Der Unterricht wurde in der Einrichtung vor-Ort in bekannter Umgebung durchgeführt, und bald konnten erste Erfolge gefeiert werden. Nach vier Wochen fand dann ein Gespräch mit den Lernern, ihrer Vertrauensperson in der Einrichtung und der Kursleiterin statt. Da wurde dann auch vorgeschlagen, an einem Kurs in der Volkshochschule teilzunehmen. Am ersten Tag in der VHS kam auch die Vertrauensperson mit zum Kurs. Der Übergang funktionierte und im Artikel kommt zum Ausdruck, dass sich die Lerner dort gut aufgehoben fühlen.
Als Fazit betonen die Autoren, dass aufsuchende Bildungsarbeit mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. Der Vorteil wiederum ist, dass so Menschen erreicht werden können, die sonst den Weg in die Bildungseinrichtung nicht gefunden hätten. Selbst, wenn sie von sensibilisierten Multiplikatoren angesprochen und vermittelt werden, ist es noch nicht sicher, dass der Übergang in ein Kursangebot auch klappt. Mit einer 'sanften' und individualisierten Einführung ins Lernen durch Einzelangebote, kann der Weg zum Lernen leichter fallen.
Eine weitere wichtige "Warnung" der Autoren ist auch, dass diese Methode unbedingt engagierte Multiplikatoren benötigt, die sich gerne für das Thema einsetzen. "Das ist vor dem Hintergrund einer Mehrarbeit [...] nicht immer selbstverständlich. Es sollten auch bei der kooperierenden Institution keine falschen Hoffnungen geweckt werden, dass sich das soziale Engagement evtl. auch finanziell positiv auswirkt."