Die Stimme der Lernenden

Mit einem Video hat die Selbsthilfegruppe Oldenburg an das Manifest der Lernenden aus dem Jahr 2012 erinnert. Das Manifest fasst zentrale Aufgaben der Grundbildungsarbeit ganz wunderbar zusammen.

Ich finde die Erinnerung daran richtig und wichtig und möchte deshalb auch hier das Video zeigen:



Wir fordern:

  1. Eine Stimme zu haben in Europa.
  2. Mehr Investitionen im Bereich Erwachsenenbildung, vor allem für das Schreiben, Lesen, Rechnen und Computerkenntnisse.
  3. Direkte Teilhabe an Grundbildungsprojekten und -zentren.
  4. Spezielle Schulungen für Trainer in der Erwachsenenbildung.
  5. Ein Mitspracherecht in der Politik und bei der Konzeption von Bildungsprogrammen.
  6. Die Einbindung von Politikern in unser Manifest und Vereinbarungen zu spezifischen Verpflichtungen.
  7. Die Verbreitung dieser Worte in der Welt, um mehr Kontakt zu mehr Lernenden aus verschiedenen Ländern zu knüpfen.
Das vollständige Manifest findet man hier.

Pressearbeit

In der Alphabetisierung und Grundbildung muss noch viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Durch Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträge können viele Menschen vom Thema erfahren.
Hier eine Checkliste, die ich mir als kleine Hilfe für Presseinterviews
erstellt habe:

Vor dem Interview:

  • Kernbotschaft(en) formulieren
  • überlegen, welche Fragen gestellt werden könnten, und was man darauf antworten möchte

Absprachen:

  • live oder mitgeschnitten?
  • wie lang?
  • welches Ziel hat der Interviewer? Was will er oder sie vermitteln?
  • nach Aufwandsentschädigung fragen. Das Geld kann gespendet werden oder den Selbsthilfegruppen zur Verfügung gestellt werden [Ergänzung von Almut Schladebach - danke!]

Während des Interviews:

  • Aussagen mit Beispielen erklären
  • wo es passt, Zahlen / Prozentwerte / Statistiken nutzen
  • keine Fachwörter nutzen oder gut erklären
  • Kernaussagen betonen oder mehrfach formulieren

Nach dem Interview:

  • Absprachen zur Autorisierung der wörtlichen Zitate
  • nach Veröffentlichungstermin fragen
  • die wichtigsten Zahlen und Fakten schriftlich überreichen
  • dazu auch: Kontaktdaten oder Visitenkarte

Nachdenken und besser machen

Oh jeh, wie traurig sich die Überschrift anhört! Dabei ist das gar nicht so gemeint. Es geht heute um etwas, was ich für ganz, ganz wichtig halte, und was trotzdem immer irgendwie zu kurz kommt. Die Reflexion über das, was man da eigentlich die ganze Zeit macht und vor allem: wie man es macht.

Erst einmal: Was meine ich eigentlich mit 'Reflexion'?
Man arbeitet ja im Alltag immer viel, angestrengt und häufig unter Zeitdruck. Ich bin froh, wenn ich etwas erledigt habe, von der Liste streichen und nicht mehr daran denken muss. Und dann ist schon wieder das Nächste dran. Aber es ist doch sinnvoll, dazwischen einmal kurz inne zu halten und sich das noch genauer anzuschauen?

So kann man erkennen, was gut und was nicht so gut gelaufen ist. Damit verstärkt man das Positive und kann Negatives schnell verändern. So lohnen sich Fehler, weil man sie vielleicht nicht so schnell wieder macht.

Als Kursleitende verlangen wir es ja im Unterricht mehr und mehr: Lerntagebuch und Selbsteinschätzung der Lernenden ist heute Standard. Und Lehramtsstudenten wird nahegelegt, als Lehrende jede Unterrichtsstunde auszuwerten.

Und vielleicht kann man ja das auch im Arbeitsalltag hinkriegen. Ich werde jeden Abend 15 Minuten darüber nachdenken:
1.) Was habe ich gut gemacht? (bezogen auf Termine, Zeitplanung, Aufgaben, Fortschritt auf irgendwelche Ziele zu, Zusammenarbeit, Emotionaler Umgang mit irgendwas,...)
2.) Was kann ich anders oder besser machen?
3.) Welche Ideen oder Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für die nahe oder auch fernere Zukunft?

Ich glaube, diese drei Punkte sind auf alles und immer anwendbar. Sicherlich kann man noch detaillierter reflektieren, mehr Kategorien finden, aber es macht wahrscheinlich mehr Sinn, alles einfach zu halten, damit es so wenig wie möglich Aufwand bedeutet. Sonst schafft man es nicht mehr und dann bleibt es ganz auf der Strecke. Ich mache das bei den ersten zwei Fragen meistens, ohne mir Notizen zu machen, die Schlussfolgerungen oder Ideen halte ich schnell in Evernote fest.


PS: Das ist heute der 100ste Blogpost - ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die meinen Blog so treu verfolgen!


Lerncafé - Lernen und Kaffee oder was?

Manche Kursteilnehmer möchten auch außerhalb der Kurszeit noch zusätzlich
Schreiben, Lesen oder Rechnen üben.

Manche Menschen haben so schlechte Erinnerungen an die Schulzeit, dass sie keinen Kurs belegen möchten und alle Situationen vermeiden, die nach Schule aussehen.

Manche Jugendliche finden die Lernumgebung einer Schule langweilig und sitzen stattdessen lieber am Computer.

Manche Menschen arbeiten z.B. nach dem Schichtsystem und können sich deswegen terminlich nicht auf einen Kurs festlegen.

Manche Menschen haben z.B. einen Vollzeitkurs belegt und arbeiten nach Kursende wieder. Trotzdem wollen sie auch nach dem Kurs im Lesen, Schreiben und Rechnen dranbleiben, damit sie nichts verlernen.

Für diese und andere Menschen könnte das Lernen in einem Lerncafé interessant sein. So ein Lerncafé ist ein möglichst netter, angenehmer Ort, in dem man einen Kaffee bekommt, zu dem man gehen kann, wann immer man mag, wo man bekannte Gesichter trifft. Und: wo man eigenständig lernen kann. Im eigenen Tempo, nach eigenen Wünschen und Zielen.

Ein Lerncafé ist für alle offen, das heißt es gibt keine Anmeldung, es ist kostenlos und es findet nicht im Kursverband statt.

Was braucht man dafür?


Es muss einen möglichst netten Ort geben mit einer Anzahl an Computerarbeitsplätzen. Auf den Computern sollte z.B. www.ich-will-lernen.de über das Internet aufrufbbar sein und auch andere Lernprogramme (z.B. Winterfest) installiert sein. Dann braucht man eine Kaffeemaschine, damit es auch wirklich ein Café ist. Und speziell ausgebildete Lernbegleiter.

Welche Vorteile bietet das Lerncafé?


Das Lerncafé soll eine andere Lernerfahrung bieten, als das, was man von der Schule her kennt. Für alle die, denen die Schulerfahrung Angst macht und gemacht hat, ist es ein Herantasten an eine neue Lernmöglichkeit. Selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Lernen ist in unserer Gesellschaft immer wichtiger - aber bildungsferne Menschen müssen diese Kompetenz, das Lernen lernen, häufig erst entdecken. An dieser Stelle kommen Lernbegleiter ins Spiel. Sie helfen, Motivation und Ziele zu formulieren, schätzen gemeinsam Lernfortschritte ein oder beraten, wenn es mal nicht vorwärts geht.