Akteure der Alphabetisierung: Ulrike Busse



Ulrike Busse

ist Dipl.-Kommunikationswirtin und arbeitet seit Dezember 2011 bei Lesen & Schreiben e.V. in Berlin-Neukölln. Sie unterrichtet funktionale An-Alphabeten in den Fächern Deutsch und Sozialkunde und arbeitet in einer Arbeitsgruppe im Alphabündnis Neukölln mit.

1.) Warum haben Sie sich / hast du dich dazu entschieden, im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung zu arbeiten?

Bis vor einigen Jahren wusste ich zugegebener Maßen gar nichts davon, dass es  in Deutschland möglich ist, dass Erwachsene lesen und schreiben in ihrer Muttersprache lernen können, geschweige denn, dass das nötig ist. Dann habe ich aber einen Bericht im Fernsehen gesehen, der mich schockiert hat. Danach wollte ich sofort mehr wissen. Und zum Glück habe ich dann Lesen und Schreiben e.V. im Internet gefunden, wo ich heute unterrichten darf.
Ich finde es persönlich wichtig und richtig, sich in diesem Bereich zu engagieren, denn er bekommt gesellschaftlich und politisch viel zu wenig Beachtung!

2.) Welche Tätigkeit hat Ihnen/dir bisher in diesem Bereich am meisten Spaß gemacht?
Der Unterricht mit den Lernern! In dem Bereich zu arbeiten macht mir viel Freude, weil ich andere auf ihrem Weg begleiten und unterstützen kann, ich kann ein offenes Ohr für sie haben, sie begeistern und ermutigen und mich mit ihnen freuen, wenn es Erfolge gibt. Das ist doch super!

3.) Wie sehen Sie / siehst du die Zukunft in diesem Bereich, bzw. was ist Ihrer/deiner Meinung nach derzeit das dringlichste Problem?
Ich möchte die Zukunft unbedingt positiv sehen! Aber das wird ein mühsamer Weg, der Geduld bei allen Beteiligten erfordert, die ich schon mal nicht habe (:-/). Aber ich übe mich darin.
Ein Problem sehe ich in der Gesellschaft, die ganz stark von der Arbeitswelt geprägt ist. Menschen definieren sich über ihren Beruf/ ihrem Job und dem, was sie materiell vorweisen können. Es gibt kaum Platz für Schwächen. Es kostet anscheinend zu viel Mühe, Menschen in ihren vorhandenen Kompetenzen abzuholen, damit sie einen Arbeitsplatz bekommen können. Es ist einfacher für alle Bereiche 120% zu fordern und nicht zu suchen, wer trotz Schwächen individuell zu einer Stelle passen könnte. Wer nicht ins Schema passt, fällt unten durch.
Ein anderes Problem ist,  dass politisch oft zu kurzfristig und nicht nachhaltig gedacht wird. Und: dass Politik zu langsam und nicht mutig genug ist, um wirklich was von Grund auf zu ändern bzw. etwas zu initiieren. Wir brauchen ganzheitliche Förderung mit Weitblick, Zusammenarbeit der einzelnen Ministerien, Grundbildung für alle! als Sache des Bundes und Verständnis für die aktuell schlechte Situation der Betroffenen verbunden mit der Erkenntnis, dass das so nicht weitergehen kann, wenn wir uns gleichzeitig Sozialstaat nennen.

4.) Was möchten Sie / möchtest du dem beruflichen Nachwuchs mit auf den Weg geben?
Das ist ein Tätigkeitsbereich, in dem man viel Gutes geben kann und in dem man sehr viel Positives zurückbekommt.

5.) Was ist Ihr / dein Lieblingswort?
„Chance“