Verhandeln - wo eigentlich nicht?

In diesem Artikel möchte ich mich mit "Verhandlungsführung" beschäftigen. Das klingt immer so nach Gebrauchtwagen kaufen und danach, was Konzerne so machen. Oder was ich denke, was die machen.
Aber wenn man mal genauer hinschaut, kommen Verhandlungen fast überall vor: bei Arbeitsterminen (sowohl mit Externen, als auch mit den eigenen Kollegen), bei Bewerbungsgesprächen, bei Absprachen mit Freunden und vielleicht sogar darüber, wer in der Wohnung den Mülleimer  runter bringt.

Manche Verhandlungen sind wichtiger als andere, und dafür habe ich mich mal im Internet ein bisschen schlau gemacht. Empfehlen kann ich einen Artikel von Iris M. Vanck hier.

Vorher:

  • Was ist das Minimum, das ich erreichen will?
  • Was habe ich zu bieten?
  • Wer ist mein Gegenüber
  • Welche Ziele verfolgen die anderen?
  • Welche Nebeneffekte entstehen evtl. für mich und für die anderen?
  • bei mehreren Personen: Welche Dynamik herrscht zwischen den Einzelnen? (Wer ist auf meiner Seite, wer neutral, wer blockiert?)
  • Welche Unterlagen muss ich mitnehmen?

Währenddessen:

  • Welche Formalitäten, Floskeln finden am Anfang statt? Was ist dabei meine Rolle?
  • Schweigen kann Souveränität vermitteln - Zeit nehmen zum Nachdenken
  • Am Anfang nicht zu viel reden, lieber offene Fragen stellen: Was? Wann? Wo? Wie? Wozu? (Ziele? Prioritäten? andere Optionen? Voraussetzungen?)
  • auch gute Fragen: "Was würden Sie an meiner Stelle tun?" "Was wäre, wenn ich Ihre Position akzeptiere?"
  • Geschlossene Fragen nutzen, wenn man eine Entscheidung herbeiführen möchte
  • starke Argumente zurecht legen, dann schweigen, beobachten und abwarten
  • aufs Bauchgefühl hören

Nachher:

  • Es ist ok, zu keiner Einigung zu kommen oder die Einigung zu überdenken - besser als ein erkämpftes, unausgeglichenes Ja (das später nur neue Probleme macht)
  • Reflexion: was lief gut? Was sollte in Zukunft anders laufen?

EQR - DQR... MFG??

Es ist ja nun schon einige Jährchen her, aber wenn ich viele Abkürzungen auf einmal höre, muss ich immer an das Lied der Fantastischen Vier "MFG - Mit freundlichen Grüßen" denken. So ging es mir in dieser Woche, als ich vom EQR und DQR hörte. Was ist das denn nun eigentlich?

Fangen wir einmal chronologisch an:
Der Europäische Qualifikationsrahmen für Lebenslanges Lernen (EQR) wurde eingeführt, um die unterschiedlichen Bildungsabschlüsse (z.B. berufliche Bildung, Hochschule oder Fachhochschule etc.) international vergleichbar zu machen. Im EQR gibt es 8 Stufen, die beschreiben, was ein Lernender auf dieser Stufe kann, versteht und was er in der Lage ist zu tun. Dadurch soll es auch möglich sein, eine Stufe über nicht-formale und informelle Bildungswege zu erreichen. Denn es wird nicht nur, z.B. der Studienabschluss, sondern auch die anschließende Berufserfahrung dazu gezählt.

Soweit, sogut. Die einzelnen europäischen Länder sollten anschließend den EQR an ihre eigenen Systeme anpassen. Daraus ist der Deutsche Qualifikationsrahmen für Lebenslanges Lernen (DQR) entstanden.Der DQR wurde 2013 eingeführt. Es ist allerdings noch unklar, inwieweit sich nicht-formal oder informell erworbene Kompetenzen im DQR wiederfinden können. Auch im DQR gibt es 8 Stufen. Eine Grundbildung sollte man daher auf Stufe 1 vermuten. Schauen wir deswegen mal genauer in diese Stufe hinein.

Fachkompetenz:

Hier geht es um
  • "elementares allgemeines Wissen", 
  • einen "ersten Einblick in einen Lern-  und Arbeitsbereich", 
  • um "elementare Zusammenhänge" 
  • und um "kognitive und praktische Fertigkeiten, um einfache Aufgaben nach vorgegebenen Regeln auszuführen und deren Ergebnisse zu beurteilen".

Soziale Kompetenz:

Damit ist die Kompetenz beschrieben,
  • "mit anderen zusammen zu leben und zu arbeiten" 
  • und auch "sich mündlich und schriftlich zu informieren und auszutauschen".
  • Man kann "Unter Anleitung lesen und schreiben"
  • und "das eigene Handeln und das Handeln anderer einschätzen und Lernberatung annehmen"

Fazit

Die erste Stufe des DQR setzt Alphabetisierung und Grundbildung voraus. Um "sich mündlich und schriftlich zu informieren", muss man in der Lage sein, einen kurzen zusammenhängenden Text zu lesen und zu verstehen. Selbst um sich mündlich zu informieren, werden Strategien und Informationsverarbeitung auf einem Level vorausgesetzt, dem Menschen mit mangelnder Grundbildung u.U. nicht gewachsen sind.

Mit dem DQR ist ein Qualitätsrahmen entstanden, an dem 7,5 Mio der Bevölkerung von vornherein nicht teilhaben. Ob das gut oder schlecht ist, welche Konsequenzen das haben könnte oder wie man es besser oder anders machen könnte, das sind Fragen, die ich hier noch nicht umfassend beantworten kann.



Aufsuchende Bildungsarbeit

Wenn man es nicht besser wüsste, würde es einem wie ein Paradox vorkommen: Es gibt so viele Menschen, die nicht ausreichend lesen und schreiben können und trotzdem bleiben den bestehenden Kursen die Teilnehmer weg.
Was kann man da tun?

Eine Möglichkeit: Wenn die Menschen nicht in die Kurse kommen, dann müssen die Kurse zu den Menschen kommen. Sprich: aufsuchende Bildungsarbeit.
Dazu wollte ich mich an diesem Wochenende informieren. Eine erste Quelle fand ich in den Artikel von Gisela Pfaff und Andreas Dölle: "Aufsuchende Alphabetisierung zur Initiierung von Bildungsprozessen".

Die Autoren verstehen aufsuchende Bildungsarbeit in enger Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen. Diese Einrichtungen werden zunächst durch eine Schulung oder persönliche Gespräche zum Thema sensibilisiert. Sie wissen dadurch, was funktionaler An-Alphabetismus bedeutet, wie man die Menschen erkennt und ermutigend anspricht.

Die Autoren haben dann an verschiedenen Veranstaltungen der sozialen Einrichtungen teilgenommen und dabei die Klienten kennengelernt. So entstand eine vertrauensvolle Atmosphäre und manche Betroffene konnten für einen ersten Einzel- oder Kleingruppenunterricht gewonnen werden. Der Unterricht wurde in der Einrichtung vor-Ort in bekannter Umgebung durchgeführt, und bald konnten erste Erfolge gefeiert werden. Nach vier Wochen fand dann ein Gespräch mit den Lernern, ihrer Vertrauensperson in der Einrichtung und der Kursleiterin statt. Da wurde dann auch vorgeschlagen, an einem Kurs in der Volkshochschule teilzunehmen. Am ersten Tag in der VHS kam auch die Vertrauensperson mit zum Kurs. Der Übergang funktionierte und im Artikel kommt zum Ausdruck, dass sich die Lerner dort gut aufgehoben fühlen.

Als Fazit betonen die Autoren, dass aufsuchende Bildungsarbeit mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. Der Vorteil wiederum ist, dass so Menschen erreicht werden können, die sonst den Weg in die Bildungseinrichtung nicht gefunden hätten. Selbst, wenn sie von sensibilisierten Multiplikatoren angesprochen und vermittelt werden, ist es noch nicht sicher, dass der Übergang in ein Kursangebot auch klappt. Mit einer 'sanften' und individualisierten Einführung ins Lernen durch Einzelangebote, kann der Weg zum Lernen leichter fallen.

Eine weitere wichtige "Warnung" der Autoren ist auch, dass diese Methode unbedingt engagierte Multiplikatoren benötigt, die sich gerne für das Thema einsetzen. "Das ist vor dem Hintergrund einer Mehrarbeit [...] nicht immer selbstverständlich. Es sollten auch bei der kooperierenden Institution keine falschen Hoffnungen geweckt werden, dass sich das soziale Engagement evtl. auch finanziell positiv auswirkt."


PIAAC und die Konsequenzen für die Grundbildung

Im letzten Monat war ich beim Sommerfest der Berliner Volkshochsschulen, auf dem Prof.Dr.Harm Kuper von der Freien Universität Berlin einen Vortrag zu den PIAAC-Ergebnissen hielt.

Jetzt ist ja zu PIAAC schon viel geschrieben und geredet worden, trotzdem hat mir der Vortrag einige Punkte noch einmal verdeutlicht. Diese Punkte will ich hier einmal - ganz persönlich ausgewählt und ohne Anspruch auf Vollständigkeit - sammeln.

1) die Konsequenzen von PIAAC im Vergleich mit PISA
Die Studie PISA wurde ganz klar im System "Schule" durchgeführt: Schüler wurden befragt, Schulfächer wurden getestet, mit den Schulcurricula stehen gemeinsame Standards fest. Deswegen erlaubte PISA einen Rückschluss auf die 'Systemleistung' des Systems Schule. Für Probleme (die schlechten Ergebnisse der deutschen Schüler) konnte die Schule und die Schulpolitik direkt verantwortlich gemacht werden. Der politische Druck war daher bei PISA sehr hoch, da die Verbindungen und Verantwortlichkeiten klar erscheinen.

Beim Testen der Erwachsenen in der PIAAC-Studie sind die Verantwortlichkeiten und Einflussfaktoren längst nicht so klar. Das System, das zu dem Ergebnis geführt hat, kann nicht eindeutig gefunden werden, d.h. es gibt auch niemanden, der für die Ergebnisse verantwortlich gemacht werden kann. Es betrifft eher eine so vage Kategorie, wie z.B. 'Zivilgesellschaft'.
Das heißt wiederum, dass der politische Druck auf die politischen Verantwortlichkeiten im Zuge der PIAAC-Studie auch weniger stark ausfallen werden, als es bei PISA der Fall war.


2) Zusammenhang zwischen Grundkompetenzen und der Beteiligung an non-formaler Bildung (z.B. Kursbesuchen)
Prof. Kuper hat untersucht, wie verschiedene Faktoren und die Bereitschaft, Weiterbildung (im weitesten Sinne) in Anspruch zu nehmen, zusammenhängen. Seine Ergebnisse bestätigen Vermutungen:
  • hohe Grundkompetenzen führen zu hoher Weiterbildungsbeteiligung
  • ein hoher Berufs- oder Hochschulabschluss führt zu hoher Weiterbildungsbeteiligung
  • ein hoher Leseaufwand bei der Arbeit führt zu hoher Weiterbildungsbeteiligung
  • eine bessere Lesekompetenz führt zu hoher Weiterbildungsbeteiligung
Prof. Kuper endete mit folgendem Fazit:
  • Es gibt einen großen Förderbedarf bei den Grundkompetenzen Erwachsener. Er fordert: Grundbildung stärken!
  • Es lohnt sich, in die hohe Bildung von Kindern zu investieren, denn das führt automatisch zu hoher Weiterbildungsbeteiligung im Erwachsenenalter.
    Er fordert: Bildungsverläufe sichern!

Die Stimme der Lernenden

Mit einem Video hat die Selbsthilfegruppe Oldenburg an das Manifest der Lernenden aus dem Jahr 2012 erinnert. Das Manifest fasst zentrale Aufgaben der Grundbildungsarbeit ganz wunderbar zusammen.

Ich finde die Erinnerung daran richtig und wichtig und möchte deshalb auch hier das Video zeigen:



Wir fordern:

  1. Eine Stimme zu haben in Europa.
  2. Mehr Investitionen im Bereich Erwachsenenbildung, vor allem für das Schreiben, Lesen, Rechnen und Computerkenntnisse.
  3. Direkte Teilhabe an Grundbildungsprojekten und -zentren.
  4. Spezielle Schulungen für Trainer in der Erwachsenenbildung.
  5. Ein Mitspracherecht in der Politik und bei der Konzeption von Bildungsprogrammen.
  6. Die Einbindung von Politikern in unser Manifest und Vereinbarungen zu spezifischen Verpflichtungen.
  7. Die Verbreitung dieser Worte in der Welt, um mehr Kontakt zu mehr Lernenden aus verschiedenen Ländern zu knüpfen.
Das vollständige Manifest findet man hier.

Pressearbeit

In der Alphabetisierung und Grundbildung muss noch viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Durch Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträge können viele Menschen vom Thema erfahren.
Hier eine Checkliste, die ich mir als kleine Hilfe für Presseinterviews
erstellt habe:

Vor dem Interview:

  • Kernbotschaft(en) formulieren
  • überlegen, welche Fragen gestellt werden könnten, und was man darauf antworten möchte

Absprachen:

  • live oder mitgeschnitten?
  • wie lang?
  • welches Ziel hat der Interviewer? Was will er oder sie vermitteln?
  • nach Aufwandsentschädigung fragen. Das Geld kann gespendet werden oder den Selbsthilfegruppen zur Verfügung gestellt werden [Ergänzung von Almut Schladebach - danke!]

Während des Interviews:

  • Aussagen mit Beispielen erklären
  • wo es passt, Zahlen / Prozentwerte / Statistiken nutzen
  • keine Fachwörter nutzen oder gut erklären
  • Kernaussagen betonen oder mehrfach formulieren

Nach dem Interview:

  • Absprachen zur Autorisierung der wörtlichen Zitate
  • nach Veröffentlichungstermin fragen
  • die wichtigsten Zahlen und Fakten schriftlich überreichen
  • dazu auch: Kontaktdaten oder Visitenkarte