Quelle: zukunft-basisbildung.at |
Renate Ömer
ist gelernte DaF-Lehrerin und IT-Organisatorin.
Arbeitsschwerpunkte: Methodik & Didaktik IKT, Mathematik mit Lebensweltbezug, Kompetenzorientierung.
Bis 1999 Diplomstudium Komparatistik &
Germanistik (DaF), bis 2008 IT-Organisation Teich AG, ab 2009
Lernbegleiterin Basisbildung, seit 2011 Projektarbeit Social Media in
der Basisbildung.
Basisbildung für Schlaue?
Der soll ein funktionaler Analphabet sein? Aber der schaut doch viel zu pfiffig aus!
So beginnt am 6. Mai ein
Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung über den
Analphabetismus. Er spricht über das weitverbreitete Klischee, dass
die Ursache dafür Minderbegabung sei. Dieser Schluss liegt für viele auf
der Hand: Herrscht doch in Österreich seit Jahrhunderten allgemeine
Schulpflicht, die seit Jahrzehnten lückenlos
erfüllt wird. Wer da nicht Lesen und Schreiben lernt, der muss wirklich
dumm sein.
Die Wirklichkeit
Wirklichkeit ist leider auch, dass die Pflichtschule nicht lückenlos für Qualität garantieren kann: Stichwort
Leistungsverantwortung. Die Qualität der Pädagogik, die Qualität in
der Zusammenarbeit zwischen Lehrenden, Eltern und SchülerInnen reicht
nicht aus, um allen schulpflichtigen Kindern die Kulturtechniken Lesen,
Schreiben und Rechnen beizubringen. Dazu kommt,
dass die Schule keine sozialen Ungleichheiten ausgleichen kann. Wenn
die Eltern nicht ergänzen, was die Schule nicht leisten kann, dann
bleiben Kinder zurück. Und wenn weder Eltern noch Schule zur geistigen
Entfaltung des Kindes beitragen können, wird das
Pflichtschul-Abschlussniveau nicht erreichbar sein. Möglicherweise wird
trotzdem ein positives Abschlusszeugnis ausgegeben, auch wenn die
notwendigen Grundfertigkeiten gar nicht vorhanden sind. Und dann beginnt
der Spießrutenlauf zwischen Arbeitgebern und
Behörden, mit der ständigen Angst, bloßgestellt zu werden. Dass aus
solchen Erfahrungen sozialer Rückzug, Opferhaltung, Verweigerung,
Aggression und Ablehnung von Bildungsangeboten resultieren, verwundert
nicht.
Der Traum
Meine Vision ist, dass
2020 Basisbildung für die Schlauen ist und nicht mehr als
Spezialförderung für die Zurückgebliebenen gilt. Schlau sein heißt dann,
sich das Know How zu besorgen, das für die momentane Lebenssituation
notwendig ist. Das ist dann genau so
selbstverständlich wie die Teilnahme am Kurs zum ökologischen Gartenbau oder zur Erstellung des eigenen Stammbaumes.
- Wird z. B. die Verwendung der Schriftsprache immer unumgänglicher, dann geht jeder Mensch ganz selbstverständlich in die Basisbildung und bekommt dort die passgenaue Unterstützung.
- Ist es unmöglich, mit der eigenen Rechenkompetenz zu rationalen Entscheidungsgrundlagen zu kommen, führt der erste Weg in die Basisbildung. Nachvollziehen, trainieren und anwenden wird zur Selbstbestärkung schlechthin.
- Haben sich neue Technologien etabliert, mit denen viele schon selbstverständlich umgehen, führt der erste Weg in die Basisbildung. Dort können sich alle sicher sein, einen Einstieg auf dem passenden Niveau zu finden.
Niemand wird es mehr
notwendig haben, sich für fehlende Kompetenzen zu rechtfertigen. Das
Nachholen von Abschlüssen ist absolut uninteressant. Gewürdigt wird die
Eigeninitiative, sich das anzulernen, was der Mensch
für sein menschliches und berufliches Fortkommen braucht. Unterstützt
wird das selbstverständlich nicht nur informell, sondern bundesweit
institutionell, finanziell und kommunal.
Lernen vor Ort und virtuell vernetzt greifen ganz selbstverständlich ineinander.